marie colbin liest kubin

Alfred Kubins surrealistischer Roman
"Die andere Seite" spielt in "Perle, der Haupt- und Residenzstadt des Traumreichs" - ein Pseudonym für Salzburg. Reale Bezüge zu Salzburg und Traumhaft- Fantastisches verwebt Kubin zu einer neuen Wirklichkeit.

Bei der Eröffnung der Ausstellung im Salzburger Museum der Moderne Rupertinum las die in Salzburg lebende Schauspielerin Marie Colbin Passagen aus dem Roman.


Hier die Passage der "Ankunft in Perle":
"Wie lange ist's noch nach Perle?"
"In zwei Stunden - um Mitternacht - sind wir dort."
"Können Sie mir ein Hotel empfehlen?"

"Nur die Blaue Gans kommt in Betracht. Die kleineren Gasthäuser, die noch da sind, dürften Ihnen nicht zusagen."

...
Das Hotel war nicht ersten Ranges, aber halbwegs sauber und gemütlich. Ich ließ Tee aufs Zimmer bringen. Es war geräumig und recht nett eingerichtet. Ein bißchen zusammengekauft sah das Mobiliar allerdings aus. Über dem Ledersofa hing ein großes Bild Maximilians, des Kaisers von Mexico, über den Betten hing Benedek, der Unglückliche von Königgrätz. "Wie kommt denn der hierher?" konnte ich mir nicht versagen, das Stubenmädchen zu fragen.

Wer je zehn Tage kein richtiges Bett gesehen hat, wird begreifen, dass uns das jetzt wertvoller war als alle Traumschätze der Welt.

"Ich bin nur froh über die gute Luft, die hier zu herrschen scheint" sagte meine Frau und prüfte und lobte die Betten. Ich lag schon in köstlichen Federn und entgegnete gähnend: "Das scheint auch das einzig Erfreuliche hier."

Der Tag mußte schon weit fortgeschritten sein, als ich entdeckte, dass ich bereits eine ganze Weile mit offenen Augen dalag. Ein Raum mit roter Tapete!? - Jetzt hab ich's ... richtig ... ich bin der Zeichner so und so - ich liege in einem Hotelbett der Hauptstadt des Traumreiches, und neben mir schläft meine Frau.

Frisch, total ausgeschlafen, erhoben wir uns und machten Toilette. Ich war äußerst gespannt in Erwartung aller Dinge, die ich sehen sollte. Nach eingenommenem Frühstück gingen wir aus. Es war ein trüber Tag.

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