Es ist alles eitel

Foto: Christian Boltanski: Vanitas, Salzburg Foundation

Kirche, Kunst, Barock: Fastenzeit in der Stadt Salzburg

„Es ist alles eitel“ beginnt das Buch Kohelet des Alten Testaments, und meint nicht nur den schönen Schein, dem der Mensch nur zu gern nachgibt. Es ist alles vergänglich, vergeblich gar. Im Augenblick des Todes ist nichts mehr von Bestand, der Mensch, sein Leben, löst sich auf in Nichts.

Weil das eine ungeheurliche Vorstellung ist, die man sich gar nicht vorstellen kann und will, bietet die Fastenzeit, die es in vielen Religionen gibt, einen zeitlichen Rahmen, eine Klammer, um sich auf Tod und womöglich Auferstehung vorzubereiten

. Die Spannung zwischen Gier nach Leben und Todesbangen, die so kennzeichnend für das Zeitalter des Barock ist und in Salzburg die Fassaden der Altstadt bestimmt, kommt in der mittelalterlichen Krypta unter dem Dom jäh zur Ruhe.

Auf der einen Seite finden sich die Gräber der Erzbischöfe Salzburgs, unter anderem Wolf Dietrich, der in seinem städteplanerischen Grössenwahn gegen den Widerstand der Bevölkerung den alten Dom nach einem Brand abtragen ließ, und Paris Lodron, Begründer der Universität, der den neuen Dom inmitten der europäischen Kriegswirren des 17. Jahrhunderts mit großem Pomp und viel Kunst aus Italien einweihte.

Auf der anderen Seite, entlang der ursprünglichen Mauer aus dem 13. Jahrhundert, befindet sich ein versteckter Raum der Stille.

 Seit 2009 ist die restaurierte Krypta öffentlich zugänglich und mit der Installation „Vanitas“ des französischen Künstlers Christian Boltanski, im Auftrag der Salzburg Foundation, gestaltet. Zwölf kleine Metallfiguren werden vom Licht flackernder Kerzen an die Wand vergrößert, ein Totentanz reiht sich da auf, während am Ende des Raums ein weiterer Sensenmann als Schatten an der Decke kreist. Dazu sagt eine Stimme automatisch die Zeit an.

Vergeblich, denn die Sekunde ist, da ausgesprochen, schon vergangen. Vergangenheit bestimmt diesen Ort, den der Künstler nicht als Denkmal, sondern als Raum der Erinnerung versteht.

 Boltanskis Werk ist geprägt von diesem Festhalten an den Zeichen der Vergänglichkeit, er archiviert und inventarisiert die Beweise seiner und anderer Existenzen, um über den Tod hinaus zu bestehen. Fotos, Lebensläufe, Herztöne.

Für sein neuestes Werk, „Mein letztes Kunstwerk“, verkauft der 65-jährige Boltanski einem Multimillionär und Sammler die ihm verbleibende Zeit in seinem künstlerischen Alltag: Webkameras filmen und übertragen das Schaffen im Atelier in eine Grotte, Boltanski erhält eine monatliche Leibrente. Doch wenn auch ihm die zwölfte Stunde schlägt, bleibt auch hier die Nichtigkeit der Eitelkeit zurück.

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