Vor dem melancholischen Sommer-Abschiedslied "Der Sommer geht vorbei" bei seinem Salzburg-Konzert im Jahr 1993 meinte Konstantin Wecker über den Sommer: "...noch gut 20 Jahre zu leben, das ist das eine, aber nur noch 20 Sommer, das ist verdammt zählbar, abschätzbar."
Meine Sommer sind seit 13 Jahren geprägt von der Festspielzeit: viel Hochkultur, viel Trubel, viel Aufregung, viel Arbeit. Gerne erinnere ich mich an die verschwenderische Üppigkeit des italienischen Sommers meiner Kindheit (Bibione, wo sonst?), an die ersten Blicke auf die Unendlichkeit des Meeres, an den Duft von frisch gestärkter Tischwäsche und reifem Prosciutto, als es noch nicht an jeder Tankstelle San Daniele-Sandwiches gab. Der Sommer in Italien war die Zeit der Genüsse, weil Cappuccino eine Kulturhoheit der Italiener war, während in Österreich der Verlängerte flächendeckend mit der Perversität von "Kaffeesahne" im Bonsai-Töpfchen serviert wurde. Weil man sich im fortschrittsgläubigen Österreich der 70er Jahre die Produktion von hausgemachter Pasta nicht antat, und der Sugo im Gläschen so praktisch war. Weil die Fische der vielen Primi- und Secondi-Gerichte Einheimsche waren und nicht eine halbe Weltreise hinter sich hatten. Und weil Österreich noch nicht bei der EU war, man zum Einkauf von Milchprodukten, Zigarren und Lottozetteln nach Freilassing fuhr und es nicht alles überall das ganze Jahr über gab.
(Bevor Hans Dichand mir aus dem Grabe beipflichtet: Ich bin ein glühender Europäer. Und dennoch vermisse ich die Einzigartigkeit, die regionale Beschränkung, mit der kulinarische Spezialitäten versehen waren, und die damit verbundene Freude bei deren Genuss. Wir haben viele Wahlmöglichkeiten gewonnen, aber auch viel Besonderheit verloren. Das Wissen um das abgelegene Restaurant mit 80 jähriger Mamma-Köchin und authentischen Gerichten wird heute in der Familie vererbt.)
Nach dem Italien-Urlaub dann der willkommene Kulturschock bei der Heimkehr: die Bergwelt mit ihrer kälteren, würzigen Luft, die so anders ist als die milde italienische, irgendwie härter, aber auch klarer. Die Freude beim Schwammerlsuchen und Schwarzbeer-Pflücken, das dichte Aroma sonnengewärmter Himbeeren im Mund, Kirschfleck, Topfentorte mit Marillen, Pfirsich-Schokolade-Kuchen, und der warme Stein der Pool-Umrandung, an dem wir uns aufgewärmt haben, weil wir immer viel zulange im Wasser waren und unsere Lippen schon blau waren. Die Wiesen rund ums Haus waren noch nicht verbaut, und der angrenzende Tümpel war unser Traumreich und Jagdrevier.
Damals gehörte uns die Welt. Zumindest einen Sommer lang.
In den spätsommerlich-milden Sonnenstrahlen des September ist unser Gastgarten wahrscheinlich am schönsten. Bis Mitte Oktober oder solange es die Witterung erlaubt ist er noch geöffnet.
foto: clemens kois http://clekois.com/
text: ag
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