Delikates und Verpöntes


Wenn sich Wolfram Siebeck an den Tisch setzt, dann strahlt er, und ein schelmisches Lächeln gibt der Vorfreude auf einen hoffentlich bevorstehenden Genuss Ausdruck, die er sich, mit 83 Jahren mittlerweile im besten Genießer-Alter, bis heute bewahrt hat. Trotz oder eben wegen der vielen Restaurantbesuche und der professionellen Herangehensweise.

Diese fast demütige Wesensart und die Gelassenheit eines großen Kenners, der schon viele Trends kommen, und noch mehr gehen sah, erklärt seine Einstellung zur Molekularküche ("Pappe und Kleister").Wer gehört hat, in welch hymnischen Gesängen er bei seinem Eat & Meet Abend im M32 die Kalbsnieren angekündigt hat, weiß woher der Wind weht. Wolfram Siebeck ist zeitlebens auf der Suche nach Exzellenz. Exzellenz heißt: "Das Normale in besonderer Präzision und das Besondere."

Der - so der Autor selbst - am schlechtesten verkaufte seiner vielen Kochratgeber ist das "Kochbuch der Verpönten Küche", in dem Siebeck sämtliche Gruseligkeiten für den Mainstream-Konsumenten versammelt: Kalbszungen, Kutteln, Schnecken, Nieren und Lammhirn,  Tintenfisch, Austern und anderes Zeug, von dem anzunehmen ist, dass dem wenig experimentellen Esser schnell das Grausen kommt. Lukullische Abwegigkeiten für die einen, seltener Genuss für die anderen. Auch optisch polarisiert das Buch: Barbara Siebecks "rohe" Fotos zeigen den Schweinsfuss oder den Froschschenkel in seinem Urzustand.

Beim privaten Abendesssen in unserem Restaurant hat uns Wolfram Siebeck ein schönes Kompliment hinterlassen für unsere Bemühungen um die "inneren Werte". Was er gegessen hat? Marinierten Kalbskopf und Wiener Weinbergschnecken im Backteig mit Kressesalat, und danach ein Gebackenes Kalbsbries auf warmem Erdäpfel-Vogerl Salat.  Die Schnittlauchsauce, die ich ihm dazu empfahl, hat er glücklicherweise nicht verpönt. 


Foto und Text: AG

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