Möchten Sie das absolute Gedächtnis?


Wollte Max Frisch, der dieser Tag hundert Jahre alt geworden wäre, in seinem berühmt gewordenen Fragebogen wissen.

Die Amerikanerin Jill Price kann sich an jeden Tag ihres Lebens seit Februar 1980 erinnern, ob sie möchte oder nicht. Das kann mitunter recht anstrengend werden, zumal nicht nur in ihrem Fall Erinnerungen autobiographisch mit Gefühlen verknüpft, körperlich erfahrbar und wieder durchlebt werden können, wenn die Ereignisse dazu erinnert werden.

Wird dabei eine psychische Belastungsgrenze überschritten, nennt man das Trauma. Das hyperthymestische Syndrom, so der wissenschaftlicher Begriff für den Fall von Price, hat aber auch großen Unterhaltungswert, da Erinnerungen meist multimedial sind und bildhafte Elemente, Szenen, Geräusche und Klangfarben, oft auch Gerüche enthalten. Ein einzelnes Element kann die Erinnerung auslösen, wie zum Beispiel der Geschmack einer in Tee getunkten Madeleine (französisches Kleingebäck), der den Schriftsteller Marcel Proust an seine Kindheit erinnert und zum Katalysator seiner Suche nach der verlorenen Zeit wird.

Eine Suche nach Antworten auf die Fragen nach Glück, Liebe, Leben und Tod, nicht so direkt gestellt wie bei Max Frisch, dennoch ebenso dringlich: Sie erzählen uns, wer wir sind und woher wir kommen. Nachdem die Gegenwart nur einen Augenblick währt, befinden sich die meisten Ereignisse unseres Lebens in der Vergangenheit, doch wenn diese verschwindet, weil wir im Gegensatz zu Jill Price alles vergessen, leben wir trotzdem im Hier und Jetzt. Das dauert übrigens aus neurologischer Sicht drei Sekunden, und in dieser Zeit ist alles möglich.

Text KB / Bild: Jeff Geoff  / markenredaktion blaue gans salzburg

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