Genug ist nie genug, genug kann nie genügen


Claudia Karner, Veranstalterin der Reihe „Literatur im Café Mozart, hat sich nach 25 Jahren einen Traum erfüllt: Die Lesung von Konstantin Wecker aus seiner Autobiographie „Die Kunst des Scheiterns“ war eine Sternstunde…

GÄNSEHAUT: Herr Wecker, wie war’s gestern Abend im Café Mozart?
Also, ich bin sehr froh, dass ich das endlich mal g‘macht hab. Nach so vielen Jahren der… Mühe… Es war ja auch nicht so, dass ich’s nicht hätte machen wollen, es ist bloß so dass I nie ganz frei g‘habt hab,  die letzten Jahre. Ich bin schon sehr viel unterwegs, zur Zeit.

GÄNSEHAUT: Eigentlich sind Sie seit Ihrem zwölften Lebensjahr unterwegs, seit Sie das erste Mal von zu Haus ausgerissen sind. Kann man das so sagen?
Ja, das kann man so sagen.

GÄNSEHAUT: Und es gibt auch kein Bedürfnis, das zu ändern?
Nein, ich glaub‘, ich würd‘ depressiv werden, wenn ich drei Monate nicht auf der Bühne bin, dann werd ich nervös. Also, das macht mich richtig nervös.

GÄNSEHAUT: Was ist daran so wichtig?
Ich glaub, es ist diese Kommunikation mit den Menschen. Wie man gestern gesehen hat, wird ja deutlich, mein Publikum hört ja wirklich zu. Das will nicht irgendwie abtanzen oder so was, sondern die wollen zuhören, denen bedeuten die Texte etwas. Und die Musik ist der Vermittler für diese Texte, und meine Stimme ist wahrscheinlich und die Art und Weise, wie ich sing. Aber es geht um’s gemeinsam… um eine Suche nach....... vielleicht, wie ich’s ganz am Anfang meines Buches geschrieben hab, die Suche nach dem Wunderbaren. Das, was man eigentlich nur durch Poesie und Musik ausdrücken kann.

GÄNSEHAUT: Haben Sie vor Ihren Auftritten, unterwegs, Rituale?
Ja, ich muss vor jedem Konzert schlafen.

GÄNSEHAUT: Na ja, schlafen muss man immer.
Natürlich. Ich mein‘, direkt davor. Auch vor ganz aufregenden Premieren. Das ist meine Form der Aufregung. Aufregungsbewältigung. Und ich kann auch sofort einschlafen.

GÄNSEHAUT: Und wenn Sie aufwachen, geht’s dann gleich los?
Dann muss ich kalt duschen, das ist das zweite Ritual. Hier war’s sehr schön, hier ist eine schöne kalte Dusche. Manche Hotels haben so eine lauwarme Kaltdusche, das ist meistens bei großen Ketten, da werd ich wahnsinnig, das kann mir den ganzen Abend versauen!

GÄNSEHAUT: Und gibt es auch ein Ritual danach?
Ja. Grüner Veltliner!

GÄNSEHAUT: Ich muss jetzt doch auf Mozart kommen, weil wir in Salzburg sind…
Klar.

GÄNSEHAUT: … und Sie im Café Mozart gelesen haben und auf Ihrer ersten Platte haben Sie sich Amadeus genannt… Was ist Ihr Bezug zu Mozart?
Zum Amadeus muss ich leider dazu sagen, das war eine Erfindung der Plattenfirma, die dachten damals, das is was ganz Tolles, es war meine erste Scheibe. Ich hab es dann wieder sein lassen, aber ich hab meinen wirklichen Bezug zu Mozart erst im Alter bekommen, ab dreißig-vierzig.

Als junger Musikstudent mochte ich ihn zwar, aber ich hab ihn, ich kann mir gar nicht erklären, warum, für belanglos und verspielt gehalten. Und jetzt ist es für mich das völlige Gegenteil, jetzt ist für mich Mozart, das hab ich gestern auch g‘sagt, ähnlich wie bei Rilke, ein anderes Universum: Er vermittelt Einsichten in Weltenzusammenhänge auf eine non-rationale Weise, mit dieser Musik, die ist bei keinem anderen Musiker zu erleben. Und das will was heißen, weil ich eigentlich Puccini-Fan bin, aber Mozart, das Phänomen Mozart ist für mich auch, dass er alles vermengt mit einer Leichtigkeit, dass es Dir den Atem raubt. Also…

Je älter ich werde, umso völlig… göttlicher erscheint mir Mozart. Ich hab den Maler Ernst Fuchs ein paar Mal getroffen, und der sagt, Mozart, der macht genau die Musik, wie die Vögel singen. Sehr spannend. Bei den Festspielen war ich trotzdem nie. Es hätt‘ schon ein paar Sachen gegeben, die mich interessiert hätten, aber das war mir zu viel Wirbel. Zu viel G‘schiß. Und was ich den Festspielen extrem übel nehme, ist die Ausladung von Jean Ziegler. Jean Ziegler ist wirklich einer der grandiosesten und feinsten Denker, die wir haben, zur Zeit, ein Gesellschaftskritiker. Das kann man net machen. Also, ich verstehe es, aber es offenbart halt, wem die Festspiele gehören, die gehören genau den Konzernen, die der Ziegler angegriffen hat.

GÄNSEHAUT: Haben Sie zu Salzburg noch andere Assoziationen außer den verkauften Festspielen?
Ich habe Freunde hier. Dann habe ich einmal im Festspielhaus gespielt, das war schon sehr schön, für Ärzte ohne Grenzen, und… ich bin privat gern hier! Also, ich find’s eine tolle Stadt, ich find’s wahnsinnig schön, es ist ein gutes Lebensgefühl da, manchmal sein ma z’viel Touristen da, dem muss man sich entziehen, aber es ist schon toll, es ist eine schöne Stadt. Früher, mit den Kindern, wie die kleiner waren, simma oft herg’fahr‘n, ... auch als Touristen!

GÄNSEHAUT: Haben Sie einen Lieblingsort auf der Welt?
Also, wahrscheinlich… ja. Bestimmte Ecken von München. So gern ich in Rom bin, ich bin auch oft in Asien, weil meine Frau gern nach Asien fährt, finde ich toll, aber je älter ich werde, desto weniger muss ich eigentlich weg.

GÄNSEHAUT: Welche Ecken von München sind das?
Es hat immer mit der Isar zu tun. Ich bin an der Isar groß geworden und die Isar hat mich sehr geprägt. Ich hab zwei Heimatgefilde, die Toskana und München. Ich weiß nicht, wie’s euch geht, als junger Mensch denkt man, wenn ich alt bin, dann will ich mich zurückziehen in die Natur. Aber je mehr ich jetzt ältere Leute spreche, die zieht es eigentlich in die Großstadt. Es ist die medizinische Versorgung optimal in der Großstadt, es ist die kulturelle Versorgung da, die haben was zu tun, und, also… der Aussteigewunsch, der ist eigentlich eher so im mittleren Alter, glaube ich. Aber die wirklich alten Leute, da geht’s darum, dass man beruhigt ist, wenn nach drei Minuten der Notarzt kommen kann.

GÄNSEHAUT: Oder überhaupt wer kommt.
Ja genau, dass überhaupt wer kommt. Überhaupt, dass überhaupt irgendjemand kommt. Also, ich bin in der Toskana, ich würd sagen, a halbe Stund‘ von irgendeiner Hilfe entfernt. Ich bin öfters auch ganz allein dort, eben um zu schreiben, und beim letzten Mal kam mir plötzlich der Gedanke, wenn‘st jetzt an Herzkaspar hast, was ist dann eigentlich los? Es waren alle Freunde im Umkreis weg und es war noch grau und greislich und Winter und da hab ich mir plötzlich überlegt, das man auch a bissl Angst haben könnt.

GÄNSEHAUT: Es ist irgendwie schön, dass Sie die Ängste haben, die wir auch alle haben. Es heißt oft, der Konstantin Wecker, der hat nix auslassen, der hat alles erlebt, das klingt manchmal, als ob Sie nichts mehr begeistern und auch nichts mehr beängstigen könnte und das ist nicht der Fall.
Nein!

GÄNSEHAUT: Haben Sie noch irgendeine große Sehnsucht, einen großen Wunsch?
Meine Sehnsucht is‘ ja nie befriedigt worden. Doch. Ab und zu schon… aber nie in dem Sinn befriedigt, das man sagt, jetzt bin ich angekommen in irgendeiner Form eines Paradieses, das ich gesucht hätte. Das Ernüchternde ist vielleicht, das man irgendwann feststellt, dass es zum Leben gehört, dass das eben nicht möglich ist. Klar, als junger Mensch denkt man zum Beispiel auch, dass die Alten, also, wenn sie sich entwickelt haben, wenn sie net blede Oide worden san, die’s auch gibt, sture, aber alte Menschen, so wie ich immer als Vorbild meinen Vater gehabt hab, da hab ich immer gedacht, die würden einen größeren Einblick in die Welt, in die Weltgeheimnisse haben. Das ist nicht der Fall.

Text: KB /  Karin Buchauer   /   markenredaktion blaue gans salzburg

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