Eine Stadt mit 50 Jazzclubs – urbanes Schwingen in der Caverne

Unsere Caverne ist so etwas wie die Urzelle der Blauen Gans. Die Konglomeratquader ihres Gewölbes stammen aus einer Zeit, in der man ernsthaft den Mönchsberg auf der gesamten Länge des Karajanplatzes zerschneiden wollte, um die beengte Wohnsituation in der zu klein gewordenen Stadt zu entschärfen. Diese selbstbewusste Unternehmung führte zu einem heute noch unregelmäßigen Felsverlauf, dort wo früher der Steinbruch war (oberhalb des Neutors, ja, ich weiß, aber ich sage immer noch nicht „Sigmundstor“), und zu tonnenweise porösem, leicht zu bearbeitenden Stein, aus dem die Stadt gebaut ist.


Die Caverne diente jahrelang als Lager für Kohle, die über Schütten von der Getreidegasse hinunterbefördert wurde. In den 1920er Jahren erhielt das Haus eine Gaszuleitung, und aus dem Kohlenkeller wurde ein Gemüse- und Weinlager, das über eine steile Stiege erreichbar war. Mein Großvater fühlte sich während der Bombardements der Allierten im Keller inmitten von Weinflaschen und Erdäpfelsäcken sicherer als in den Luftschutzbunkern im Mönchsberg.

1972 verpachteten meine Eltern (aufgrund nichtgastronomischer beruflicher Orientierung) das Restaurant an den Jazz-affinen Kellner Adi Jüstel, der aus dem Keller den ersten Jazzclub der Stadt machte, den legendären Mexikano-Keller. Die Austro-Jazz-Größen der 70er und 80er Jahre waren hier Stammgäste: Oscar Klein, Fatty George, Richard Kleinschuster, Rudi Wilfer uvm. Friedrich Gulda probte oft im leeren Souterrain statt im Festspielhaus, und kam nach einem fulminanten Klavierkonzert aus seinem Zimmer beim noblen Nachbarn in den Mexikano Keller herüber, um noch ein bisschen zu jammen. Internationale Jazzer wie Monty Alexander, heute Garant für überfüllte Konzertsäle, spielten in der mexikanisch-salzburgerischen Provinz „downstairs“. Auch Ella Fitzgerald steht im Gästebuch. Als Mittelschüler habe ich diese etwas spezielle Form der „Hausmusik“ sehr zu schätzen gewusst, und von der Stiege aus zugehört.


Bei unseren Konzerten im Rahmen des Altstadtfestivals „Jazz & the City“ im Oktober erinnern wir an diese musikalische Ära in unserem Haus, die sich Anfang der 90er selbst überlebt hatte. Nach einigen Jahren Pause haben wir den Keller von mexikanischer Folklore befreit, und bieten nun im intimen Rahmen des mächtigen Gewölbes musikalischen Genuss auf höchstem Niveau. Wenn der Jazz seinen angestammten Platz in der Caverne wieder einnimmt, habe ich das Gefühl, die jahrhundertealten Mauern swingen ein bisschen mit, ganz so, als begrüßten sie einen alten Bekannten. Auch die Gäste sind locker, und das Festival wird zum urbanen Schwingen: in über 50 Restaurants, Bars, Gast- und Kaffeehäusern wird bei – freiem Eintritt – getrötet und improvisiert, bis die Dächer wegfliegen. „Eine Stadt mit 50 Jazzclubs“ schrieb Clemens Panagl in den „Salzburger Nachrichten“. Die Konzerte sind in Sessions geteilt und getaktet, damit man nichts versäumt – und wiederkommen kann, wenn es wo besonders schön war. So ziehen 35.000 Menschen in fünf Tagen durch ihre Stadt und begeistern sich für das immer wieder Schöne oder das aufregend Neue.             

Zuletzt in der Caverne der Blauen Gans: Bill Evans . Wolfgang Puschnig . Paolo Fresù und Nygen Le . Ernst Molden und Walther Soyka . Die Strottern . Livio Minafra . Georg Breinschmid mit Brein’s Café . Martin Lubenov & Vladimir Karparov . Klaus Paier und Stefan Gfrerrer


Jazz & The City wird vom Altstadt Salzburg Marketing organisiert und vom renommierten Jazz-Veranstalter Gerhard Eder geleitet. 50 Konzerte in 100 Locations an fünf Tagen, alle bei freiem Eintritt.



Text: AG / Bild: markenredaktion blaue gans salzburg

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