Unser aller Mutter trägt selbst am Kreuz; sie hat den Erlöser geboren, im Wissen, dass er ihr genommen werden wird. Sie hat den größten Schmerz, den größten Verlust einer Mutter von Anfang an getragen. Eine unerträgliche Vorstellung, die Siegfried Anzinger in leichten Strichen und hellen Farben auf das Blatt zaubert.
Die Irritation beim Wiedererkennen des klassischen Mutter-mit-Kind-Motivs soll den Blick auf das Wesentliche lenken und die Aufgabe der Kunst erfüllen, so Anzinger, Antworten auf nie gestellte Fragen zu geben. Das geschieht hier in aller Versunkenheit, in der Hingabe der fürsorgenden Maria, die ihrem Sohn, der schon gar nicht mehr ihrer ist, den sie Gott abtreten muss, die Stirn fühlt. Ein Bild wie ein Gleichnis, der Fleck über Mariens Gesicht einem Leichentuch gleich.
Der Maler kennt die traditionellen Bildmotive der Kunstgeschichte, er erinnert und variiert sie und erzählt uns dabei von unserer Unerlöstheit, unserer Endlichkeit, vor der selbst die heilige Mutter uns nicht wahren kann. Wo manche Sarkasmus, gar Blasphemie sehen wollen, hält Marias stilles Lächeln bei Anzinger, trotz aller österreichisch-depressiver Prägung des international anerkannten und ausgezeichneten Künstlers, fundamentale Wahrheit bereit.
Text: KB / Karin Buchauer / Bild: © / markenredaktion blaue gans salzburg
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